Katastrophenschutz: Vom Ahrtal in die Ukraine

12. April 2022

Katastrophenschutz: Vom Ahrtal in die Ukraine

Mitarbeiter des DRKs im Landkreis Verden im Katastrophenmodus

„Der Katastrophenschutz in Deutschland wurde jahrzehntelang aus dem Bauch heraus auf das vermutete Notwendigste reduziert. Alle Warnungen der Hilfsorganisationen, das nicht zu tun, wurden überhört, weil man in den entscheidenden Ebenen davon ausging, dass man soweit alles im Griff hätte. Dann kamen vier harte Prüfungen, mit denen die Gesellschaft nicht gerechnet hat. Angefangen 2015 mit der Flüchtlingswelle, die Coronapandemie 2020, die Unwetterkatastrophe 2021 im Ahrtal und nun die humanitäre Hilfe bei einem Krieg in Europa. Ich bin froh, dass nach 2015 ein anderes Bewusstsein eingekehrt ist und langsam andere Strukturen aufgebaut werden. Wie extrem wichtig das ist, zeigt die Abstellung hauptamtlicher Mitarbeiter des Rettungsdienstes für das Ehrenamt. So wird Christian Küper, der als Notfallsanitäter in unserem Rettungsdienst tätig ist, nach vielen Wochen im Ahrtal nun zu einem humanitären Einsatz in die Ukraine entsandt.“, berichtet Dirk Westermann, Geschäftsführer DRK Kreisverband Verden.

Der 45-jährge Christian Küper, der mit seiner Familie in Weyhe lebt, ist ursprünglich gelernter Elektriker. Nach 4 Jahren bei der Bundeswehr kam er über das Ehrenamt in den Rettungsdienst des DRK im Landkreis Verden, wo er seit 2014 hauptberuflich tätig ist. Dem Ehrenamt im Katastrophenschutz ist er bis heute in der Funktion des Gruppenführers in den DRK Ortsvereinen Verden und Leeste treu geblieben. Was Christian Küper seit der Flutkatastrophe im letzten Jahr im Ahrtal zum besonders gefragten Katastrophenschutzhelfer macht, ist seine Zusatzqualifikation als Fachkraft für Strom, Wasseraufbereitung und Abwasser. Mit dieser Zusatzqualifikation gehört er zu einer WASH-Einheit des Deutschen Roten Kreuzes und damit zu den mobilen Nothilfe-Einheiten (ERUs), die innerhalb von 72 Stunden in jedes Katastrophengebiet eingeflogen werden können. Die WASH-Einheiten dienen der Trinkwasserversorgung und Seuchenhygiene für bis zu 40.000 Personen.

„Bei der Katastrophe im Ahrtal war ich insgesamt vier Wochen vor Ort. Dort haben wir mit großem Erfolg den weltweiten Prototypen einer Kläranlage betrieben, dessen Entwicklung in Bangladesh begann und vom Wasseringenieur Kurt Sygien erfunden und perfektioniert wurde. Wir haben jeden Tag bis zu 16 Stunden Wasser aufbereitet, damit einer realistischen Seuche vorgebeugt werden konnte. Das war schon eine sehr harte Prüfung, bei der man zwischen Extremen schwankte. Auf der einen Seite die Ohnmacht der vielen Menschen, die vor dem Nichts standen und auf der anderen Seite die gleichen Menschen, die zutiefst dankbar waren und einen nach ein paar Tagen wie selbstverständlich mit dem Vornamen angesprochen haben. Physisch wie psychisch konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt keine extremere Einsatzsituation vorstellen.“, resümiert Christian Küper.

Nun geht es für Christian Küper über das Internationale Rote Kreuz (ICRC) in die Ukraine. Nach einer Verabschiedung im Landkreis Verden geht es direkt nach Genf. Dort finden alle Briefings statt, die dringend notwendig sind, wenn man in einem Kriegsgebiet zum Einsatz kommt. Von Genf aus wird die Einheit dann nach Rumänien verlegt. Sobald das Rote Kreuz in der Ukraine grünes Licht für den Einsatz gibt, erfolgt die endgültige Verlegung in das Krisengebiet. Dabei wird der konkrete Einsatzort streng geheim gehalten. Für die Einsatzdauer von Christian Küper sind zunächst vier bis sechs Wochen geplant. Je nach Lage versuchen die Einheiten des Internationalen Roten Kreuzes, neben der Trinkwasserversorgung und Seuchenvorsorge, ein autarkes Krankenhaus aufzubauen.

„Nach dem Einsatz im Ahrtal waren wir uns unter den Einsatzkräften einig, dass wir vermutlich nicht mehr so schnell unter solchen Extrembedingungen zum Einsatz kommen werden. Diese Annahme ist mit dem Einsatz in der Ukraine Geschichte. Hier kommen wir unter ganz anderen Voraussetzungen zum Einsatz, die noch extremer sein werden als im Ahrtal. Die Situation im Ahrtal war primär für die geschädigten Menschen sehr extrem. Aber in der Ukraine herrscht Krieg. Das bedeutet, dass schon die Verabschiedung von meiner Frau und von meinen zwei Kindern für mich eine ganz andere sein wird. Da bekommen Floskeln einer Verabschiedung plötzlich intensivste Bedeutung. Auf der einen Seite bin ich hoch motiviert zu helfen, aber auf der anderen Seite steht definitiv ein mulmiges Gefühl. Ich bin froh, dass ich während des Einsatzes mit meiner Familie kommunizieren darf. Das mach den Einsatz für mich einfacher.“, so Christian Küper.

„Das DRK im Landkreis Verden wünscht Herrn Küper eine reibungslosen Einsatzverlauf. Vor seinem Engagement haben wir großen Respekt. Im Angesicht der vielen schrecklichen Bilder, die uns täglich aus der Ukraine erreichen, fiebern wir alle mit Herrn Küper mit. Wir freuen uns, wenn er gesund und munter zu uns zurückkehrt und vielen Menschen in Not helfen konnte.“, so Dirk Westermann.

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